1.6.1. Ungleiche und abnorme Gebissabnutzungen
Definition
Ungleichmäßige Gebissabnutzungen und Malokklusionen kommen bei Pferden sehr häufig vor. Einzelne oder mehrere Zähne können durch die Abnutzung des Gebisses dessen Funktion beeinträchtigen. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Entstehung und Ursachen
Die Ursachen für die ungleichmäßigen Gebissabnutzungen können sehr vielseitig sein. Breits beim Zahnwechsel kann ein verzögerter Durchbruch eines Zahns zu einem verringerten Abrieb des Gegenspielers führen. Der Verlust von Zähnen oder Fehlstellungen der Zähne, sowie andere Erkrankungen der Zähne, des Kiefers und der Kaumuskulatur führen zu abnormen Abnutzungen. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Da der Oberkiefer des Pferdes breiter angelegt ist, als der Unterkiefer, decken sich die Kauflächen in Ruhe nicht. Bei Kauen bewegen sich Ober- und Unterkiefers mahlend gegeneinander, sodass die Backenzähne ständig abgerieben werden. Bereits durch das physiologische Verhältnis der beiden Kiefer zueinander können ungleichmäßige Gebissabnutzungen entstehen. Zudem kann eine mangelnde Versorgung des Pferdes mit kaufähigem Material, wie es bei raufutterarmen und krippenfutterreichen Rationen häufig der Fall ist, die unregelmäßige Zahnabnutzung fördern. (MEYER und COENEN 2014)
Häufig bilden sich an der Außenseite der Oberkieferbackenzähne, sowie am inneren Rand der Unterkieferbackenzähne Spitzen und Kanten aus hartem Zahnschmelz. Diese wiederum können die Maulschleimhaut verletzen und durch Schmerzen die Futteraufnahme einschränken. (MEYER und COENEN 2014)
Durch Schmerzhaftigkeit kauen Pferde in manchen Fällen nur noch einseitig, sodass ein Scherengebiss mit einer starken Neigung der Kauflächen entstehen kann. Wellen- und Treppengebisse hingegen sind meist Folge eines verzögerten Durchbruchs der Zähne. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Durch das Barrenwetzen kann ein Wetzergebiss entstehen, bei dem es zu einem übermäßigen Abrieb der Zangen und Mittelschneidezähne des Ober- und Unterkiefers kommt. Bei einem Koppergebiss, verursacht durch das Aufsetzkoppen, werden lediglich die Zangen und Mittelschneidezähne des Oberkiefers abgerieben. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017) Als auslösende Faktoren für das Koppen werden Stress, ein mangelhaftes Fütterungsmanagement mit kraftfutterreichen und raufutterarmen Rationen, Magengeschwüre und andere Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, sowie eine Veränderung im Dopaminsystem des Gehirns in Erwägung gezogen. (BOHNET 2017; TOEWE 2013)
Symptome
- Schwierigkeiten bei der Futteraufnahme und Futterzerkleinerung
- Ausspucken von eingespeichelten und leicht gekauten Futterknoten und –wickel
- Abmagerung in Folge der reduzieren Futteraufnahme und –zerkleinerung
- Auswirkungen auf die Rittigkeit des Pferdes (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
- Im Mist der Pferde können nicht ausreichend gekaute Getreidekörner gefunden werden (GERBER et al. 2016). Für eine unzureichende Zerkleinerung der Nahrung im Kopfdarm sprechen auch größere Mengen an groben Partikeln mit einer Länge von 4-5mm im Kot (MEYER und COENEN 2014).
Therapieunterstützende Fütterungsmaßnahmen
Mindestens einmal jährlich sollte das Gebiss eines jeden Pferdes kontrolliert und korrigiert werden, um eine ungestörte Futterzerkleinerung sicherzustellen (MEYER und COENEN 2014).
1.6.2. Karies
Definition
Karies beschreibt eine Zahnhartgewebe zerstörende Erkrankung. Unterscheiden kann man die Infundibularkaries (Karies in den Zahnschmelzeinstülpungen/Kunden) und die peripheren Karies an der Zahnaußenfläche. (BIENERT-ZEIT 2017)
Entstehung und Ursachen
Bei der Infundibularkaries entsteht die Demineralisierung vom Zement der Zahnschmelzeinstülpungen aus. Es wird ein multifaktorielles Geschehen als Ursache für die Entstehung betrachtet. So wurde das Bakterium Streptococcus devriesei vermehrt bei Pferde mit Infundibularkaries nachgewiesen, als bei gesunden Tieren. Dieses senkt den pH-Wert auf der Zementoberfläche, sodass diese angegriffen werden kann.
In den Schmelzeinstülpungen können sich Futterpartikel und Bakterien besonders gut festsetzen. Die Fütterung von Pellets, die beim Kauen auf der Zahnoberfläche kleben bleiben, kann begünstigend auf die Kariesbildung wirken. Häufig sind alte Pferde und Pferde mit anderen Zahnerkrankungen von Infundibularkaries betroffen. (BIENERT-ZEIT 2017)
Die periphere Karies entsteht am Zement und Schmelz der Zahnaußenflächen. In etwa 30% der Fälle tritt sie zusammen mit der Infundibularkaries auf. Auch die periphere Karies wurde im Zusammenhang mit anderen Zahnerkrankungen diagnostiziert, wobei nicht erwiesen ist, welche Erkrankungen primär, und welche in Folge der Primärerkrankung entstehen. Begünstigend für die Entwicklung einer peripheren Karies scheinen jedoch hohe Kraftfuttergaben und Heulage zu sein. (BIENERT-ZEIT 2017)
Klebrige, stärke- und zuckerreiche Futtermittel, sowie Rationen, die zu einer geringen Kautätigkeit führen, werden als begünstigende Faktoren angeführt (MEYER und COENEN 2014).
Symptome
- Zu Beginn der Erkrankung ist die Krankheit schmerzfrei, weshalb das Pferd keinerlei Symptome zeigt.
- Erkrankungen des Zahnhalteapparats und der Zahnwurzel, sowie Zahnfrakturen entstehen, welche den Gesundheitszustand des Pferdes nachteilig beeinflussen können. (BIENERT-ZEIT 2017)
Therapieunterstützende Fütterungsmaßnahmen
Als prophylaktische Maßnahme um Karies beim Pferd zu vermeiden gilt eine regelmäßige Kontrolle und Korrektur des Gebisses. Dabei werden Ecken und Kanten abgeschliffen, sodass sich keine Futterpartikel dort festsetzen können. Zudem ist eine ausreichende Kauaktivität durch das Angebot von genügend Raufutter vorteilhaft für die Reinigung und die Speichelbildung. Stark melasse- oder kohlenhydrathaltige Futtermittel, sowie Gras mit hohen Fruktangehalten sollten zur Prophylaxe von Karies nicht verfüttert werden. (BIENERT-ZEIT 2017)
1.6.3. Zahnfraktur
Definition
Unter einer Zahnfraktur wird ein Bruch, eine Absprengung, eine Spaltung oder ein Riss im Zahn verstanden (BIENERT-ZEIT 2017).
Entstehung und Ursachen
Zahnfrakturen der Schneidezähne sind meist traumatisch, durch Stürze oder Tritte bedingt. Eine Fraktur der Backenzähne kann unter Umständen bei einer Zahnbehandlung entstehen. Bei der Hälfte aller Backenzahnfrakturen ist die Ursache jedoch ungewiss. (KERN 2015)
Als ernährungsbedingte Ursache können harte Fremdkörper im Futter in Frage kommen. Beißt das Pferd auf den Fremdkörper, kann es vor allem bei vorgeschädigten Zähnen zu Frakturen kommen. Besonders kariöse Zähne, die durch den Verlust an Zahnhartsubstanz instabil werden, können durch den normalen Kaudruck bereits brechen. (BIENERT-ZEIT 2017)
Oberflächliche Frakturen können ohne Folgen und Schmerzen für das Tier bleiben. Zieht sich die Fraktur bis in die Pulpa oder bis in das Zahnfach, so können hier Infektionen entstehen. Die Entstehung von Infektionen wird unterstützt durch Futterpartikel und Bakterien, die zwischen die beiden Frakturstücke gepresst werden können. (BIENERT-ZEIT 2017)
Symptome
- Bei akuten Frakturen der Schneidezähne können leichte Blutungen aus dem Maul auffallen.
- übler Maulgeruch
- mangelhaftes Kauen
- Ausspucken von Raufutterwickeln
- Gewichtsverluste
- Rittigkeitsprobleme, vor allem beim Reiten mit dem Gebiss
- Infektionen der Pulpa oder des Zahnfachs führen zu starken Schmerzsymptomen. Kommt es zur Fistelbildung oder zu einer sekundären Nasennebenhöhlenentzündung kann eitriger, einseitiger Nasenausfluss auf der Seite der Infektion auftreten. (BIENERT-ZEIT 2017)
Abbildung: Zahnfraktur eines Backenzahns in Folge von Karies
1.6.4. Zahnfachentzündung (Parodontitis)
Definition
Die Zahnfachentzündung beschreibt eine Entzündung des Zahnhalteapparats. Da auch das Zahnfleisch zum Zahnhalteapparat gehört, wird die Zahnfleischentzündung als eine spezielle Form der Parodontitis angesehen. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Entstehung und Ursachen
Für die Entstehung einer Zahnfachentzündung ist meist die Einkeilung von Futter zwischen zwei Zähnen oder zwischen Zahn und Zahnfleisch verantwortlich. Zahnfrakturen, lockere Zähne und Zahnverlagerungen führen zu unnatürlichen Zahnzwischenräumen, die die Futtereinlagerung im Zwischenraum begünstigen. Durch bakterielle Erreger bildet sich eine Entzündung.
Die Zahnfleischentzündung kann auf den restlichen Zahnhalteapparat übergreifen. Auch die Pulpa kann von der Entzündung erfasst werden. Im fortgeschrittenen Stadium können sich Fisteln entwickeln, die im Unterkiefer nach außen durchbrechen und im Oberkiefer zu Nasennebenhöhlenentzündungen führen können. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Symptome
- verringerte Futteraufnahme
- vermehrtes Speicheln
- Maulgeruch
- Ausspucken eingespeichelter Futterwickel
- langsames Fressen
- Gewichtsverlust
- die Aufnahme von kaltem Wasser wird vermieden (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
1.6.5. Zahnstein
Definition
Als Zahnstein werden feste, poröse, grau-weiße bis gelbliche Auflagen aus Kalziumcarbonat auf den Zähnen verstanden. Zahnstein ist bei vielen Pferden vorzufinden, jedoch in unterschiedlicher Intensität. Besonders alte Pferde leiden häufig unter Zahnstein. Diesen findet man meist an Schneide- und Hengstzähnen. An den Backenzähnen entstehen nur sehr selten Ablagerungen. Der Zahnbelag lagert sich am Übergang von Zahn zu Zahnfleisch ab. Die Kaufläche der Schneidezähne bleibt frei von Zahnstein. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Entstehung und Ursachen
Zahnstein bildet sich meist an Zähnen, die die Nähe zu Ausführungsgängen der Speicheldrüsen haben. Anorganische Stoffe, wie Kalziumhydrogenkarbonat aus dem Speichel, lagern sich mit Mikroorganismen und Futterpartikeln auf der Zahnoberfläche ab. (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
Auch bei einer chronischen Niereninsuffizienz mit Urämie tritt Zahnstein vermehrt auf (GERBER et al. 2016). Zahnbett- und Zahnfleischentzündungen können häufig bei Zahnsteinbildung beobachtet werden, wobei noch nicht klar ist, welche Erkrankung primär auftritt (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017).
Wenn der Zahnstein über die Zahnfläche hinaus das Zahnfleisch überlappt, entstehen unter dem Belag Geschwüre im Zahnfleisch (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017). Zudem begünstigt Zahnstein die Entstehung von Krankheiten des Zahnhalteapparats und Zahnfrakturen (GERBER et al. 2016).
Symptome
- Mundgeruch
- ersichtliche, gräuliche Beläge auf den Zähnen
- Zahnfleischentzündung (BARTMANN und BIENERT-ZEIT 2017)
- selten auch Kaustörungen (GERBER et al. 2016)
Abbildung: Leichte Zahnsteinbildung an den Schneidezähnen des Oberkiefers